top of page
  • AutorenbildThomas

#2.15 Eng, enger, Yttergrund!

⌘ 25.07. - 28.07. Yttergrund (FIN)

Wir verlassen Säppi mit Kurs Nord und ungewöhnlich für uns, steht das genaue Ziel schon vor der Abfahrt. Die genaue Planung ist dem Wetter, dem Seegebiet und der besonderen Anfahrt geschuldet.

Über die Insel selbst wissen wir noch nicht viel. Die Suche im Web war wenig ergiebig und so ist nur folgendes bekannt: Es gibt einen kleinen Anleger, der in einem kleinen und sehr geschützten „See“ liegt. Der kann wiederum nur über einen schmalen, flachen und künstlichen Kanal erreicht werden. Auf der Insel steht der zweithöchste Leuchtturm Finnlands umgeben von einer Handvoll Gebäuden.

Alles weitere erkunden wir...mal wieder...vor Ort.


Hei hei Säppi

Der Wind weht kräftig mit recht konstanten 30kn aus Südwest und die Ostsee präsentiert uns feinste Hackwelle. Die See läuft kreuz und quer, neue gegen alte Welle. Das ganze wird noch verstärkt durch die abrupt wechselnden Tiefen. Es ist ungemütlich, aber wir kommen ganz gut voran.

Überhaupt hat sich die Geologie sehr verändert. Die sauber getrennten und vielen Schären wurden von einzelnen flachen Inseln und viel Geröll abgelöst. Außerdem wird die Küste nun schon recht weit draußen flach.

Bei dem tristen Wetter hallen Majas Worte umso lauter nach: Die Basis der Seekarten stamme aus den 50er Jahren und das Seegebiet ist zu umfangreich und „unwichtig“ als das es stetig überall aktuell gehalten werden könnte. Sobald wir das Tiefwasser verlassen, sollen wir tunlichst auf den eingetragenen Wegen bleiben. Die allein sind aktuell und sicher.

Das Land hebt sich hier oben pro Jahr um ca. 8mm und das Wintereis verschiebt auch große Granitblöcke. Der auf der Karte eingetragene Stein kann also durchaus woanders liegen. Aufmerksame Navigation ist angesagt!

Apropo Karte...die unten gezeigte Detail-Karte haben wir erst im Nachgang bei der Recherche für diesen Beitrag entdeckt. Naja...wer braucht schon Karten...


Hei Yttergrund

Nach sechs Stunden und 35,5NM Geschaukel erreichen wir die Ansteuerung. Sie schaut in den Karten und auf Satellitenbildern flach und schmal aus. Der folgende kleine Kanal soll noch schmaler sein und nur noch eine Tiefe von 1,5m haben. Anspruchsvoll aber machbar.

So real wirkt das Alles aber nochmal enger und wirklich nicht einladend. Links und rechts, manchmal keine fünf Meter entfernt, brechen die Wellen an den Felsen. Teilweise sind sie knapp unter der Wasseroberfläche, sodass uns nur Verwirbelungen warnen, doch bitte nicht zu nah zu kommen. Der starke Wind weht die Gischt weiter und das schale Licht tut sein übriges. Immerhin bricht die grobe See schon draußen an den vorgelagerten Felsen, so dass Ari im Laufe der Ansteuerung immer ruhiger liegt. Platz für Fehler oder Defekte ist hier und heute trotzdem nicht! Wir sind angespannt.

Wir folgen genau dem Tonnenverlauf, gleichen dabei Karte und Realität unentwegt miteinander ab und dann wundern wir uns über eine Tonne.

Sie ist rot und in der Karte nicht eingetragen.

Hmm…sie müsste also links von uns bleiben, aber das geht nicht: da schaut ein großer Felsrücken gerade eben aus dem Wasser.

Vielleicht ist sie vertrieben? Bei dem Wetter der letzten Tage wäre das durchaus möglich.

Na mal sehen…so langsam wie möglich tasten wir uns vor und beim Blick zurück sehen wir es dann: Sie bezeichnet die Einfahrt/Abbiegung in den kleinen künstlichen Kanal.


Eng, enger, Yttergrund

Der ist wirklich sehr eng und sehr gut getarnt.

Wir stecken kurz unsere Köpfe zusammen, denn ganz wohl ist uns beiden nicht. Nochmal raus wollen wir aber auch nicht. Also rein da…wird schon klappen.

Der Kanal ist so gut vor Wind geschützt, dass wir uns im Schneckentempo vortasten können. Das Schwert wird aufgeholt und das Ruder lösen wir nur, lassen es aber unten um besser manövrieren zu können. Shaima steht am Bug, hält Ausschau und dirigiert.

Ari´s breite Hüfte passt eben so hindurch und dann passiert es doch. Grundberührung!

Am Ende des Kanals touchiert das Ruder etwas und klappt hoch.

Nach dem Schrecken öffnet sich ein kleiner, absolut geschützter „See“ mit Anleger.

Die im Netz recherchierte Tiefe von 1,5m stimmt sowohl für das „Kanälchen“ als auch für den See. Lediglich einfahrend an Steuerbord scheint etwas am Ende im Kanal zu liegen. Die schiffbare Breite würden wir mit maximal 4,5m angeben.

Übrigens: Bis auf einen kleinen Ditscher im Anti-Fouling ist dem Ruder nichts passiert.


Trotz Hochsaison sind wir das einzige Boot. Wundervoll!

Wir sind stolz uns getraut und es hier her geschafft zu haben. Kurz überlegen wir, ob es eine Spur zu leichtsinnig war, eine solche Anfahrt bei diesem Wetter zu wagen. „Vielleicht“, einigen wir uns, „aber ohne Risiko und Fleiß auch keinen Preis“ und so verkommt der sonst aufregende Anleger zur langweiligen Pflichtaufgabe.

Ari liegt am Steg

Gerade angekommen...

schnappt sich Shaima den Hund und ich mache Klarschiff.

Nach einiger Zeit kommen die beiden Abenteurerinnen mit Anne zurück. Sie ist zurzeit die einzige Insulanerin und gehört zur Finnish Lighthouse Society.

Die Freiwilligen der FLS kümmern sich ehrenamtlich um die, für die Schifffahrt unbedeutend gewordenen, aber trotzdem erhaltenswerten Leuchttürme, Schallsignale und Landmarken. Mehr über die tolle Arbeit der Truppe findet ihr in der Linksammlung am Ende.


Außer Strom und der obligatorischen Komposttoilette gibt es hier keine weitere Versorgung. Die Müllstation ist klein und so handhaben wir es wie immer in diesen winzigen „Häfen“: Alles was wir mitbringen, nehmen wir auch wieder mit. Mindestens. Das freiwillige Liegegeld von 10€ zahlen wir gerne, kommt es doch der Arbeit der FLS zugute.


Auf der Infotafel am Steg steht nichts von einer Sauna. Anne „zwingt“ uns aber beinah, sie zu nutzen. „“Außerdem", sagt sie, "müsse das ganze Holz mal weg". So finden wir uns jeden Abend in diesem über 100 Jahre alten Holzhaus wieder. Anne bereitet jeden Abend alles vor. Hackt Holz, schürt das Feuer und holt Wasser vom Steg. Sie lässt uns nicht helfen, sind wir doch Ihre Gäste. Nur noch reingehen, schwitzen, genießen und schon wieder nicht glauben können, was hier passiert. Es hat rein gar nichts mit diesen deutschen oft abschreckenden "Saunalandschaften" zu tun und so avanciere sogar ich zum Sauna-Fan. Wenn Sauna, dann so!

Je länger wir da sind, desto mehr öffnet sich Anne. Es ist wie auf Säppi. Sie zeigt uns nach und nach immer mehr. Öffnet uns das alte Lotsenhaus und lässt uns stöbern. Irgendwann kommt sie wieder dazu und erzählt uns einiges über die Geschichte der Insel, der Lotsen und des Leuchtturms. Der Leuchtturm selbst ist leider nicht zu erkunden. Schade!

Am nächsten Tag führt sie uns aber durch das Haus des Leuchtturmwärters, in dem heute die Voluntere unterkommen. Ein Mix aus Nostalgie und privatem Einblick. Zunächst beäugen uns die beiden anderen, gerade erst angekommenen, Helfer sehr kritisch. Der mitgebrachte Sauerkirschwein (Bester Dank geht raus an Carmen und Heiko!) lockert die Mienen aber schnell.

Raum mit vielen leeren Schnapsflaschen

Abgesehen von den fünf Gebäuden gibt es wenig zu erkunden. Die Insel selbst ist klein und in großen Teilen derart dicht bewachsen, dass kein rücksichtsvolles Durchkommen ist. Außerdem probt das Wetter schon mal den herbstlichen Aufstand und so verbringen wir die Tage mit kurzen, oft nassen aber immer schönen Spaziergängen. Shaima versucht sich an Voisilmäpulla (Butteraugen mit Kardamom), die wir in Uuki kennengelernt haben, während ich ein paar kleinere Instandhaltungsarbeiten erledige. Wir lesen und schauen Filme, genießen unseren geschützen Platz, während es draussen „abgeht“. Wir gönnen uns das „Highlight der Insel“: Eis aus dem kleinen Shop der FLS, was tatsächlich etwas absurd daherkommt. Es gibt kein fließend Wasser, geschweige denn Trinkwasser auf der Insel, dafür aber eine Kühltruhe mit verschiedenen Eissorten, die ganz bequem mit Kreditkarte und

ApplePay bezahlt werden können. Irgendwie eine absurde Welt, aber die Prioritäten sind klar gesetzt!

Außerdem beteiligen wir uns an einer Insel-Tradition: Jeder Besucher hinterlässt eine Schnapsflasche in dem Sanitärgebäude, sofern diese denn auch auf der Insel geleert wurde.


Ganz nebenbei werden wir zur Attraktion für die Einheimischen von den umliegenden Inseln und dem nahen Festland.

Ari wird ungläubig begutachtet, fotografiert und gefilmt und immer wieder werden wir gefragt, wie wir mit dem großen Boot hierher gekommen sind. Unsere lapidare Antwort: „Na da!“, zeigen wir, "Durch den Kanal, genau wie ihr.“ Anschließend holen wir dann doch etwas aus und erklären unsere Reise und die Besonderheiten des Bootes.

Alle getroffenen Menschen freuen sich und sind irgendwie stolz, das zwei Deutsche samt Hund und Boot ihre Welt entdeckt haben. Es verirren sich nur sehr wenige Fremde an diesen Ort.

Die Entscheidung...

ist getroffen. Mit 61°58.833N wird Yttergrund der nördlichste Punkt dieser Reise. Wir machen hier kehrt und segeln in den Süden, bzw. Süd-Osten.

Das hat mehrere Gründe:

  1. Die nächsten Tage ist kräftiger Wind aus NNW vorhergesagt. Das hieße gegenan kreuzen oder noch weiter warten

  2. Die Saison ist mittlerweile relativ fortgeschritten

  3. Die Sommerferien der Finnen enden bald, womit sich der Süden schlagartig leert

  4. Shaima braucht noch einen Flughafen für ihren anstehenden Kurztrip

  5. Dafür bietet sich Helsinki an, was wir ohnehin gern besuchen würden

  6. Und nicht zuletzt hat uns das Schwärmen der Mädels auf Säppi über das südliche Archipel neugierig gemacht

Genug gute Gründe und so starten wir nach drei Nächten wieder ins Abenteuer.

Bevor wir aber ablegen, laufen wir noch ein letztes Mal über die Insel, saugen noch einmal so viele Eindrücke wie möglich auf, verabschieden uns von Anne und ihren Helfern und bekommen zum Schluss noch eine Packung Kekse geschenkt.

Dann legen wir ab und quetschen uns erneut durch das Nadelöhr. Dieses Mal bleibt auch etwas Zeit um das Ganze zu dokumentieren, was die winkende Anne vom Steg aus auch tut.


Rückweg? Noch lange nicht!

Dadurch, dass wir einige Meilen des Hinwegs wieder zurück segeln, fühlt es sich ein wenig nach Rückweg an, was uns so gar nicht schmecken mag. Das ist aber Quatsch, denn zurück geht es noch lange nicht. Volle drei Monate haben wir noch, ehe wir wieder in Deutschland sein wollen. Viel Zeit für Erkundungen und dennoch nicht genug! Wir sind mittlerweile süchtig nach dieser Art des Lebens.


Und wer mehr über die Geschichte der Insel, den Leuchtturm oder allgemein das Seegebiet erfahren möchte, hier sind einige nützliche Links. Die detaillierte Karte hätten wir zum Beispiel gern vor unserer Reise dorthin gefunden!

Linksammlung:

Und zu allerletzt noch eine Challenge:

Wer unsere Flasche bei seinem Yttergrund-Besuch entdeckt und uns davon ein Foto schickt, den/die laden wir auf reichlich Koekie ein! Versprochen!

Und jap, auf der Flasche steht ein falsches Datum. Wir haben uns um schlappe vier Tage vertan. Tja, wenn Zeit nebensächlich wird... 😂








bottom of page