
⌘ 18.06.-03.07. Kalmar bis Finnhamn (SWE)
Nach unserer späten Abfahrt in Kalmar legen wir nur knapp 11NM (ca. 20km) zurück.
Unter der Kalmarsundbrücke hindurch, deren 50jähriges Jubiläum in diesem Jahr gefeiert wird, geht es gen Norden an die Spitze von Skägenäs. Hier soll unser Plätzchen für die Nacht sein. Langsam steuern wir in die enge Bucht, vorbei an all den mehr oder minder gut erkennbaren Untiefen. Das Vertrauen in die Karte wird belohnt und so liegen wir bald zufrieden in der Koje.

"Thomas, jetzt flipp nicht aus!"
Am nächsten Morgen weckt mich Shaima voller Energie mit den Worten: „Thomas, jetzt flipp nicht aus!“. Was passiert aber, wenn das die ersten Worte des Tages sind? Ankernd zwischen Felsen! Mein Puls schnellt in die Höhe und ich mache mich innerlich für ein schnelles Manöver bereit. Unnötig, denn nach einem kurzem Blick raus, macht sich umgehend große Freude breit. Aus all den flachen Felsen sind über Nacht Seehunde geworden! Eine große Gruppe mit einigen Jungtieren hat es sich unweit bequem gemacht. Einige dösen auf den Steinen, andere schwimmen umher und kommen ganz nah an unser Zuhause heran. Gegenseitig beobachten wir uns etwas verdutzt und sehr interessiert. Selbst Judy scheint beeindruckt und hält ihre Nase immer wieder in Richtung unserer neugierigen Nachbarn.
Es ist wirklich so so schön, wie aus einem unspektakulären Ankerstop so ein Moment entsteht, der sich nachhaltig ins Gedächtnis brennt.
Nördlich des Kalmarsunds geht es dann wirklich los. Die sauber abgetrennte Küste beginnt zu bröckeln und immer mehr Landmasse ragt immer weiter versprengt ins Meer. Die Wege werden zunehmend durch sie vorgegeben und die Navigation anspruchsvoller. Wir entfernen uns etwas von der Festlandküste und suchen ein neues Plätzchen.
Mittsommer auf Sandö
Sandö soll es heute für uns werden. Diese Insel habe ich schon vor Tagen auf der Karte entdeckt und nun passt der Wind endlich um in der östlichen Bucht einen Stop einzulegen. Shaima ist noch mit ihrem Mittagsschläfchen beschäftigt, als sie die klappernde Ankerkette weckt. Verträumt klettert sie ins Cockpit und der Blick schweift umher. Der Schlaf in ihrem Gesicht weicht einem breitem Lächeln. Die wunderschöne u-förmige Bucht mit superklarem Wasser und sandigem Boden präsentiert sich uns im besten Licht. Links an Land liegen grimmige und scharfe Granitfelsen, rechts rund gewaschene Steine und in der Mitte? Sandstrand inkl. Feuerstelle!

Direkt dahinter öffnet sich ein Fichtenwäldchen. Für die Sonnenwende haben wir das ideale Plätzchen gefunden. Abends „feiern“ wir dieses Ereignis mit einem ordentlichen Lagerfeuer und unserem letzten leckeren dänischen Bier von Ærø. Ein bisschen Wehmut schwingt mit, bedeutet es doch, dass die Tage jetzt wieder kürzer werden.
Tags drauf wird die kleine Insel erkundet und umrundet. Wir treffen auf Rehe und erhaschen einen Blick auf die scheuen Rinder, die sich im Unterholz verstecken. Ankern mithilfe des Dingis um, baden und genießen einfach das Sein.
Zwei Tage hatten wir diesen Ort ganz für uns allein, ehe uns wieder nach Aufbruch ist. Der Anker ist kaum gelichtet, da kommt schon die Ablösung um die Ecke. Perfektes Timing! Ein kleines Motorboot fährt direkt auf den Strand und die junge Familie macht es sich gemütlich.
Diesen Ort merken wir uns und wollen ihn gern wieder besuchen!
Kiddeholmen - beliebt bei Einheimischen und Durchreisenden

In die Bucht nahe Oskarshamn verschlägt uns der eingeschlafene Wind und die guten Bewertungen. Die Segel hängen schlaf herab und so schiebt uns der Diesel kurzentschlossen in die sehr beliebte Bucht. Sowohl Ferienhäuser als auch Boote reihen sich an diesem sehr schönen und geschützten Platz aneinander.
Wir werden mal wieder daran erinnert, dass eingezeichnete und bewertete Ankergründe für uns Plätze sind, die wir lieber meiden. Je näher am Festland und an Häfen, desto mehr gilt es. Die Crews, das Miteinander und das Feeling ist anders. Anonymer und leider häufig auch rücksichtsloser.
Trotzdem, hier betreten wir unsere erste Schäre und erkunden diese ausgiebig. Judy ist sofort ein großer Fan. Sie springt auf und ab, schnuppert hier und dort, erkundet alles ganz genau. Unwirklich ragen diese riesigen und rund geschliffenen Felsen empor. Es ist ein großes Abenteuer hier herumzuklettern und alles zu entdecken. Die unterschiedlichen Oberflächen und verschiedenen Gesteinsschichten. Überraschend wie viele unterschiedliche Pflanzen und Flechten sich auf diesen kargen Dingern ansiedeln und auch tatsächlich überleben.
Obwohl die Umgebung hier sehr sehr schön ist, packen wir nach einer kurzen Nacht wieder zusammen. Es ist uns zu voll und geschäftig. Obendrein steht das Wochenende mit allerbestem Wetter bevor...es wird also wahrscheinlich noch voller werden.
Istergås - die Schärenwelt von der wir träumten
Von Istergås erhoffen wir uns mehr Ruhe. Die Seekarte zeigt eine kleine geschützte Bucht. Sowohl Ankern als auch direktes Festmachen an den Felsen ist möglich. Die Anfahrt ist allerdings etwas tricky. Es gibt zwei schmale Rinnen mit einer Tiefe von nur 1,6m. Links und rechts Felsen und das Echolot ist bei der Einfahrt ziemlich nutzlos. Es steht Kraut bis dicht unter die Oberfläche und so erahnt Shaima im Bugkorb sitzend den richtigen Weg. Das macht sie super! Ohne Grundberührung flutschen wir durch das Nadelöhr. Wie wir später noch herausfinden, empfiehlt ein schwedischer Revierführer einen maximalen Tiefgang von 1,4m. Gleichzeitig solle man aber den aktuellen Wasserstand und die vorhergesagten Winde beachten, Ansonsten könne man dort durchaus ein paar Tage gefangen sein.
Ich finde eine Reserve von lediglich 20cm ohne Sicht, Echolot oder irgendwelche Landmarken, bei felsigem Grund ziemlich sportlich. Die Schweden scheinen mutige Segler zu sein!
Hier kommt nun erstmals echtes Schärenfeeling auf. Jetzt verstehen wir, warum so viele Menschen von dieser Umgebung schwärmen und sich verlieben. Uns geht es genauso! Immer wieder erwischen wir uns, wie wir minutenlang einfach nur dastehen und den Blick schweifen lassen. Wir saugen den Ort und seine Stimmung auf. Die Flora und Fauna, die Klangkulisse und mitten drin wir drei mit unserem schwimmenden Zuhause. Glück macht sich breit. Einfach nur Glück.
Wir kommen ins Schärenfieber und hoppen die nächsten Tage von Schäre zu Schäre. Mal groß, mal klein. Mal mit Infotafel, Grillplatz und Komposttoilette. Mal völlig naturbelassen.

Schärenankern
Wir werden sicherer und wagen nun auch das Liegen direkt an einer Schäre. Wir benehmen uns wie blutige Anfänger, die wir ja auch sind. Der Buganker fällt zunächst in sicherer Entfernung. In der Seekarte sind einige Möglichkeiten eingetragen, die wir jedoch vorher prüfen wollen. Es geht auf Erkundungsfahrt mit dem Dingi. Das Ufer wird inspiziert und an Land nach Haltepunkten für die Schärennägel gesucht. Nach mehreren erfolglosen Versuchen wird der Klang beim Einschlagen schließlich immer heller. Ein sicheres Zeichen, dass der Nagel ordentlich klemmt. Dann kehren wir zu Ari zurück, bereiten alles vor und dann geht es ganz langsam an den Fels. Etwa zwei Bootslängen vom Ufer entfernt werfe ich den Heckanker über Bord und lasse die Leine laufen. Shaima steht währenddessen am Bug und zeigt mir Richtung und Distanz via Handzeichen an. Dann kommt ihr Signal aufzustoppen und schon hüpft sie mit den Bugleinen von Bord und fädelt sie durch die Nägel. Ich hole die Heckleine dicht. Das Spiel geht ein wenig hin und her, ehe wir zufrieden sind.
Da liegt unsere Ari nun Bug zur Schäre. Ein wenig Stolz, stellt sich uns dennoch die Frage, ob sich der Aufwand lohnt. Wenig später bemerken wir, dass sich unser „Nutzungsverhalten“ umgehend ändert. Wir sind öfter an Land, auch für „mal eben“.
Das geht am nächsten Morgen direkt weiter. Den Morgenkaffee genießen wir diesmal nicht im Cockpit oder im Bett. Nein, wir machen es uns sofort wieder auf der Schäre bequem. Währenddessen kann Judy schon umherschnüffeln.

Der „Aufwand“ begründet sich in unserer fehlenden Ausrüstung. Die Schweden fahren eine spezielle Heckleine auf einer Rolle und einen Anker am Heck. Häufig ist das sogar ihr einziges Eisen. Wird dann doch mal klassisch geankert, führen sie die Heckleine nach vorn über den Bug.
Wir hingegen müssen erstmal alles zusammensammeln und -bauen. Unser Ersatz- und nun Heckanker ist mit 15kg, entsprechenden Maßen und Kettenvorlauf nicht unbedingt als handlich zu bezeichnen. Das Handling der langen losen Leine ist auch nur bedingt ein Genuss. Dennoch, die "Arbeit" ist es Wert und für die paar Mal vollkommen ok. Das Gefühl ist toll und nochmal anders, als beim Ankern.
Für den nächsten Trip in den Norden würden wir evtl. in die "Spezialausrüstung" investieren. Vllt. aber auch nicht…wir sind unschlüssig, denn es funktioniert.
Wir hangeln uns weiter gen Norden und das große „Phantom“ Stockholm steht im Raum. Die Nähe wird immer deutlicher, denn auf dem Wasser wird es voller und voller. Das miteinander rauer. In einer Bucht beobachten wir zwei Boote, die sich ein Rennen um den besten Platz an der Schäre liefern und wenig Rücksicht aufeinander nehmen. An einem anderen Tag überholt uns ein Segelboot recht aggressiv und missachtet dabei jegliche Regeln. Selbst ein Gruß ist nicht drin. Mich wundert das Verhalten so sehr, dass ich nochmal die Vorfahrtsregeln nachschlage. Kann ja doch sein, dass ich etwas verkehrt gemacht habe. Habe ich zum Glück nicht. Der Griesgram hatte wohl einfach einen schlechten Tag.
Es wiederholt sich leider das so häufige Schauspiel, wenn viele Menschen auf „engem“ Raum sind.
Die Schweden haben Sommerferien und die verbringen sie anscheinend geschlossen in den Gewässern um Stockholm. Wir grübeln: Fahren wir da jetzt hin? Bekommen wir überhaupt einen Platz? Wollen wir die volle Packung? Haben wir wirklich Bock auf diesen „Urlaubsstress“?
Nach einiger Recherche und reichlich Abwägen steht die Entscheidung.
Obwohl sich nach gut zwei Wochen in den Schären eine Art Sättigung eingestellt hat und uns nach etwas Abwechslung ist, überspringen wir Stockholm. Wir wollen auf dem Rückweg, sofern er über Schweden verläuft, vorbeischauen.

Finnhamn - ein Glücksfall
Eine glückliche Entscheidung und absolut richtig, wie sich wenig später herausstellt.
Kurz darauf segeln wir nämlich an Finnhamn vorbei. Während wir also nichtsahnend durch das schmale Wasser fahren, entdeckt Shaima ein Restaurant und recherchiert blitzschnell. Kurz darauf drehen wir um und steuern zurück in die nördliche Bucht. Zu verlockend ist der Ruf der Speisekarte. Kaum ist der Ankerball gehisst, sind wir drei auch schon an Land. Shaima zieht es magisch zum Lokal, aus dem sie nach wenigen Minuten zufrieden mit einer Reservierung für den Abend wieder herauskommt. Anschliessend drehen wir eine Runde und verschaffen uns einen ersten Überblick. Ein schönes Fleckchen Erde, das wir im nächsten Beitrag genauer vorstellen möchten.
Nur so viel: fabelhaftes Essen und toller Service, schöne Natur, ausgiebige Spaziergänge und unfreiwillig-dramatische Slapstick.
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